Bildung ist auch für „Omas und Opas“ wichtig

Im Gespräch mit dem Seniorenverband Öffentlicher Dienst (Freudenstadt)
Zu Besuch bei Intersport Glaser in Freudenstadt
  • Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern (FDP) diskutiert mit dem Freudenstädter Seniorenverband öffentlicher Dienst über Bildung in Baden-Württemberg

  • Themen wie die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium oder der Leistungsgedanke in der Schule kamen zur Sprache

Denken Sie, ab einem gewissen Alter hätte man mit Schule und Bildung nichts mehr zu tun? Weit gefehlt! „Bildung ist ja auch für uns ‚Omas und Opas‘ wichtig“, begrüßte Franz Krämer, Vorsitzender des Seniorenverbands öffentlicher Dienst Freudenstadt die Interessierten, die sich im Restaurant des Panoramabads Freudenstadt eingefunden hatten, zum Bildungsgespräch. Als Experte war Dr. Timm Kern, Bildungspolitiker und Landtagsabgeordneter der FDP für den Landkreis Freudenstadt, eingeladen. 
 
So freundlich auch der Empfang war: Viel Freundliches über die Bildungspolitik der grün-schwarzen Landesregierung hatte der Abgeordnete anschließend nicht zu sagen. 
 „Auch bis 2011 war in der Bildungspolitik nicht alles perfekt“, berichtete Dr. Timm Kern seinen Zuhörern, „aber im Großen und Ganzen war die bildungspolitische Welt noch in Ordnung“. Das habe sich 2011 mit der Regierungsübernahme der damaligen grün-roten Landesregierung allerdings schlagartig geändert. Dr. Timm Kern zitierte dabei eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, deren aktueller Bildungsmonitor im so genannten „Dynamikranking“, welches die Entwicklung der Bildung in den letzten 10 Jahren untersucht, Baden-Württemberg auf dem letzten Platz aller Bundesländer sieht. Auch andere Rankings wie zum Beispiel der IQB-Bildungstrend zeigten ein ähnliches Bild.  
 
Dr. Timm Kern legte im Folgenden dar, welche Gründe er dafür sieht. Die „bildungspolitische Ursünde“, wie der FDP-Abgeordnete es formulierte, sei die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung gewesen. „Seitdem ist das ganze bildungspolitische System ins Rutschen gekommen“, analysierte er. Die Abschaffung sei damals völlig überstürzt und ohne entsprechende Begleitmaßnahmen passiert. Die Folge: Explodierende Sitzenbleiberzahlen in den Klassen 5 und 6 in Realschule und Gymnasium. „Im Gymnasium stieg die Zahl der Sitzenbleiber um mehr als das Doppelte, in der Realschule sogar um fast das Fünffache“, zitierte Dr. Timm Kern die damaligen Zahlen. Daraufhin habe die Landesregierung kurzerhand das Sitzenbleiben in der 5. Klasse der Realschule einfach abgeschafft. „So kann man das Problem natürlich auch lösen“, meinte der FDP-Politiker erkennbar ironisch. 

Ein einschneidendes Erlebnis sei für ihn in diesem Zusammenhang auch eine Podiumsdiskussion im Jahre 2015 gewesen. Ein Gymnasiallehrer beschrieb damals, dass das Kollegium mit hohem Aufwand versuchte, fünf Schüler, die mit einer Hauptschulempfehlung an das Gymnasium gewechselt waren, so zu unterstützen, dass diese die Versetzung schaffen. Bei zwei dieser Schüler sei dies damals gelungen. Allerdings habe man in dieser Zeit zwangsläufig alle anderen Kinder weniger intensiv fördern können, die eine individuelle Förderung aber genauso verdient hätten. An diesem Beispiel machte Dr. Timm Kern deutlich, dass das Fehlen der verbindlichen Grundschulempfehlung aus seiner Sicht zu neuen Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen führe. 

Neben der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung war auch die Leistungsorientierung an der Schule ein Thema. Dr. Timm Kern machte hierbei klar, dass er nicht für ein System wie in Singapur oder Südkorea sei, wo teils schon nicht bestandene Prüfungen im Grundschulalter es unmöglich machten, später bestimmte Berufe zu ergreifen. Das Bildungssystem solle stattdessen durchlässig sein. Gleichzeitig mahnte er aber auch an, dass man sich nicht immer mehr vom Leistungsgedanken verabschieden dürfe. „Das Abschaffen des Sitzenbleibens in der fünften Klasse der Realschule, der Bedeutungsverlust von Noten an Gemeinschaftsschulen oder das Modellprojekt „Grundschule ohne Noten“ – das waren alles falsche Entscheidungen, mit denen wir unseren Kindern und Jugendlichen auch nichts Gutes tun“, war sich Dr. Timm Kern sicher. „Wo sollen Kinder und Jugendliche sonst lernen, wie man mit Herausforderungen umgeht, wenn nicht in der Schule unter professioneller Anleitung von dafür geschultem Personal?“, fragte er. 

In der sich dem Vortrag anschließenden Fragerunde kam ein weiteres großes Bildungsthema zur Sprache: Die Frage, ob das Gymnasium in acht oder neun Jahren zum Abitur führen sollte. Auf die Frage, wie dazu die Position des Abgeordneten und der FDP sei, hatte Dr. Timm Kern eine klare Antwort: Die Liberalen unterstützten die Rückkehr zu G9 als Regelform. Der Grund für die Einführung von G9 sei vor allem gewesen, junge Menschen schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das habe allerdings nicht funktioniert, so Dr. Timm Kern. Und: „Aus pädagogischer Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund für G8“. Deshalb müsse die Politik jetzt reagieren. Dies scheitere aber aktuell an den Grünen im Landtag, die dies als einzige Fraktion blockierten. Auch der frühere Berufsschullehrer Franz Krämer sprach sich für G9 aus – an den Berufsschulen, wo es das Abitur nach neun Jahren bereits gibt, habe man nur positive Erfahrungen damit gemacht. 

Nach etwa 90 Minuten intensiver Diskussion zog Franz Krämer ein positives Fazit: „Bildungspolitik ist für uns alle sehr wichtig, deshalb war es sehr interessant, Ihnen zuzuhören“, bedankte er sich bei seinem Gast. Denn Bildung, das war am Ende ganz klar, ist eben auch eine Angelegenheit der ‚Omas und Opas‘.