Karin Broszat: Zukunft der Realschulen (Kern-Gespräch Folge 20)
- Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern (FDP) lud die Vorsitzende des Realschullehrerverbands, Dr. Karin Broszat, zu seinem neuesten Kern-Gespräch nach Horb ein.
- Austausch zur Zukunft der Realschulen zwischen dem Landtagsabgeordneten Dr. Timm Kern (FDP) und der Vorsitzenden des Realschullehrerverbands, Dr. Karin Broszat
- Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung und Bekämpfung des Lehrermangels zwei der wichtigsten Punkte für die Realschulen
„Die Schule war schon immer mein Zuhause!“ Damit setzte Dr. Karin Broszat, Vorsitzende des Realschullehrerverbands Baden-Württemberg (RLV BW), gleich die Weichen für das folgende Gespräch. Der FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Timm Kern hatte die Realschulrektorin aus Überlingen am Bodensee nach Horb eingeladen, um dort mit ihr die neueste Ausgabe seines Formates „Kern-Gespräch“ durchzuführen.
In der Analyse, dass in der baden-württembergischen Bildungslandschaft so Einiges im Argen liege, waren sich beide Gesprächspartner dann auch sehr schnell einig. Gerade in den Realschulen werde die Bildungspolitik der grün-geführten Landesregierung sehr skeptisch begutachtet, erklärte Dr. Karin Broszat. Der Grund dafür liege auf der Hand: Die, wie Dr. Broszat es einmal nannte, „Nahtoderfahrung“ der Jahre 2011 bis 2015, als die damalige grün-rote Landesregierung die Realschulen und andere Schulformen zugunsten eines Zwei-Säulen-Systems aus Gemeinschaftsschule und Gymnasium abschaffen wollte. Dass das nicht umsetzbar war, schrieb die Realschulrektorin den Eltern zu: „Es gab nie einen Einbruch der Anmeldungen an den Realschulen. Die Eltern, die die Realschule gekannt haben als zuverlässige Schulart (…), die haben ihre Kinder angemeldet. Das hat uns gerettet.“ Die aktuelle Vereinheitlichung der Sekundarstufen sei für sie allerdings fast genauso schlimm – denn das führe zu einem Sterben von Schulformen wie Hauptschulen, Werkrealschulen oder den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ).
Trotz der Tatsache, dass die Realschulen am Ende nicht abgeschafft wurden, bleibe dort natürlich eine gehörige Portion Misstrauen übrig – vor allem, da diese auch heute noch nicht den Eindruck hätten, dass die jetzige grün-schwarze Landesregierung deutlich mehr für sie tue. Beispielhaft sei da das Thema Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung. Die Tatsache, dass – nicht nur, aber besonders auch an den Realschulen – die Heterogenität in den Klassen deutlich zunehme, erschwere einen Unterricht, der allen gerecht wird, deutlich. Dennoch weigerten sich vor allem die Grünen in der Landesregierung nach wie vor, die Grundschulempfehlung wieder verbindlich zu machen.
Dr. Karin Broszat kritisierte das deutlich: „Es passiert, was nicht passieren dürfte – nämlich, dass dieses System allen schadet. Den Schwächeren und auch den Starken.“ Dr. Timm Kern stimmte seiner Gesprächspartnerin hier ausdrücklich zu: „In der fünften und sechsten Klasse der Realschule müssen ja alle auf dem mittleren Lernniveau unterrichtet werden. Das überfordert doch eine gewisse Anzahl an Schülerinnen und Schülern“, kritisierte der FDP-Politiker die mangelnde Möglichkeit der individuellen Förderung in heterogenen Klassen. Bei einer verbindlichen Grundschulempfehlung sei die zielgenaue, individuelle Förderung viel besser möglich, waren sich Dr. Karin Broszat und Dr. Timm Kern einig. Das zeigten nicht nur aktuelle Studien wie von Hartmut Esser und Julian Seuring, sondern sei auch die überwiegende Mehrheitsmeinung der Lehrkräfte, wie eine Umfrage des RLV aufgezeigt hatte.
Auch das Thema Lehrkräftemangel kam zur Sprache. Für Dr. Timm Kern liegt es auf der Hand, dass die grün-schwarze Landesregierung hier viel zu wenig tue. Als Beispiele nannte er die immer noch bestehenden Zugangsbeschränkungen zum Studium des Grundschullehramts und die fehlende Entlastung der Lehrkräfte durch den mangelhaften Ausbau von Schulpsychologie und Schulsozialarbeit. „Ich würde ganz viel Wert darauf legen, dass wir deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen bekommen“, betonte der Abgeordnete. Wenige Tage nach Aufzeichnung des Gespräches erregte außerdem eine Werbekampagne des Kultusministeriums zur Lehrergewinnung große negative Aufmerksamkeit, in der darauf abgezielt wurde, dass Lehrkraft zu werden vor allem deshalb attraktiv sei, weil man so viel Ferien habe. Der Realschullehrerverband Baden-Württemberg kritisierte im Namenseiner Vorsitzenden Dr. Karin Broszat diese Kampagne ebenso wie auch andere Lehrerverbände scharf als Geringschätzung der Leistung von Lehrerinnen und Lehrern seitens des grün-geführten Ministeriums.
Dr. Karin Broszat schloss das Gespräch mit dem Wunsch, die Realschulen mögen in zehn Jahren „wieder eine Schulart in der Mitte einer vielfältigen Schullandschaft sein“. So lange dauere es hoffentlich nicht, merkte Dr. Timm Kern mit einem Augenzwinkern an und versprach, sich in seiner Arbeit dafür weiterhin mit Nachdruck einzusetzen.
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