Rückkehr in die eigene Vergangenheit

Schulleiterin Susanne Goedicke (Friedrich-List-Gymnasium) und Dr. Timm Kern, MdL
Im Austausch mit Schulleiterin Susanne Goedicke (Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen)

Eine Rückkehr in die eigene Vergangenheit – so könnte man den Besuch des Landtagsabgeordneten Dr. Timm Kern (FDP) am Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen bezeichnen. Denn bis zu seinem Einzug in den Landtag im Jahr 2011 war der Abgeordnete selbst Lehrer für Gemeinschaftskunde, Geschichte, katholische Religion und Wirtschaft – und zwar an eben jener Schule, die er nun als Abgeordneter besuchte.

Im Gespräch mit Schulleiterin Susanne Goedicke wollte Dr. Timm Kern erfahren, welche Themen für das „FLG“ aktuell wichtig sind. Dabei kam die Umstellung auf das neunjährige Gymnasium zur Sprache. Die Stundentafel der Fächer ist dabei aktuell Gegenstand vieler Diskussionen. Schulleiterin Goedicke plädierte für klare Schwerpunkte: „Die Stärkung der politischen Bildung und der Fokus auf Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik ist für mich wichtig. Außerdem möchten wir beibehalten können, mit der zweiten Fremdsprache schon in Klasse 5 zu starten“. Auch Dr. Timm Kern betonte, dass das neue G9 auch für neue Impulse genutzt werden sollte: „Überlegenswert ist zum Beispiel ein eigenes Schulfach „Demokratie“ von Klasse 1 bis 13. Die Werte- und Demokratiebildung muss über alle Schularten hinweg gestärkt werden“.

Auch die für die Gymnasien neu eingeführte Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung wurde diskutiert. Susanne Goedicke begrüßte, dass beim Übergang auf das Gymnasium in Zukunft die Grundschulempfehlung wieder verbindlich sein soll: „Wir haben auch einige Kinder, bei denen wir merken, dass sie hier nicht glücklich sind und in einer anderen Schulart besser gefördert werden könnten. Natürlich unterstützen wir sie bestmöglich, aber für die Betroffenen ist das dennoch oft schwierig.“ Es sei wichtig, Eltern zu erklären: „Dieses System ermöglicht alles – Dein Kind muss nicht zwingend auf das Gymnasium, um glücklich und erfolgreich zu werden.“

Dr. Timm Kern erklärte, dass er schon seit vielen Jahren für die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung kämpfe – und die nun von der grün-schwarzen Landesregierung gefundene Regelung für absolut unzureichend halte: „Die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung gilt ja nur für den Übergang auf das Gymnasium. Dabei wäre sie gerade auch für die Realschulen ein sehr wichtiges Instrument. Ich setze mich weiter für eine echte verbindliche Grundschulempfehlung ein. Die aktuelle Regelung ist nur Flickschusterei.“

Grundsätzlich waren sich die Gesprächspartner einig, dass die Vielfalt der Schularten ein Gewinn für Baden-Württemberg sei. Das beinhalte auch starke Realschulen. Susanne Goedicke betonte: „Wenn eine Stadt wie Reutlingen nur noch eine einzige staatliche Realschule hat, fehlt eine wichtige Säule, um Eltern die Wahl zu ermöglichen. Auch Schülerinnen und Schüler mit praktischer Veranlagung brauchen entsprechende Schulen, die ihnen gerecht werden“. Die Gemeinschaftsschule, so Dr. Timm Kern, könne kein Ersatz für das gegliederte Bildungswesen sein: „Für einige Kinder ist die Gemeinschaftsschule die richtige Schulart – aber bei weitem nicht für alle. Die politischen Pläne von Grünen und SPD, sie zur „einen-Schule-für-alle“ zu machen, sind deshalb falsch.“

Nach dem Austausch mit Schulleiterin Susanne Goedicke stand Dr. Timm Kern für einen Austausch mit dem Gemeinschaftskundekurs der Kursstufe 2 bereit. Die Vielfalt der angesprochenen Themen war dabei breit: Von Steuerpolitik über Gleichberechtigung bis zum Klimaschutz wurden aktuelle Themen diskutiert. Natürlich kam auch das am heißesten diskutierte Thema der aktuellen politischen Landschaft zur Sprache: Der Bruch der Bundesregierung. Dr. Timm Kern betonte, es sei von Anfang an keine „Liebesheirat“ zwischen SPD, Grünen und FDP gewesen – dennoch habe die Regierung zu Beginn die von außen aufkommenden Krisen wie den Ukraine-Krieg und die damit verbundene Energieknappheit gut gemeistert. „Der Bruch kam dann mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Idee von Olaf Scholz, Corona-Hilfen umzuwidmen. Das hat das Gericht untersagt. Danach wurde das Thema Geld relevant. SPD und Grüne wollten die entstandene Lücke mit neuen Schulden überdecken – aber dazu war die FDP nicht bereit, weil das aus unserer Sicht nicht nachhaltig gewesen wäre“, erklärte der Abgeordnete seine Sicht der Dinge auf die Gründe für den Bruch der Regierung.

Stattdessen sei es wichtig, dass der Staat Ausgaben priorisieren könne. „Deutschland hat, über alle Ebenen hinweg, Steuereinnahmen von fast einer Billionen Euro pro Jahr. Es muss möglich sein, hier Geld in die wichtigen Dinge wie Bildung und Infrastruktur zu investieren, ohne deshalb neue Schulden machen zu müssen. Denn am Ende seid es ja Ihr als junge Generation, die das bezahlen müssen“. Dennoch kam von Schülern auch Kritik an der Schuldenbremse auf: Diese behindere Investitionen in den Klimaschutz, war die Meinung einiger Schülerinnen und Schüler. Der FDP-Abgeordnete sah im Bereich Klimaschutz allerdings andere Maßnahmen als prioritär an: „Klimaschutz muss global funktionieren. Deshalb brauchen wir hier Maßnahmen wie den Zertifikatehandel und die Offenheit für neue Technologien wie zum Beispiel E-Fuels.“

Da der Gast aus dem Landtag bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion ist, kam natürlich auch das Thema Bildungspolitik zur Sprache. „Wird das Bildungssystem den Schülerinnen und Schülern gerecht?“, fragte eine Schülerin. Dr. Timm Kern zählte seine Forderungen für eine Reform des Bildungssystems auf: „Bis 2011 waren wir in Baden-Württemberg zusammen mit Bayern und Sachsen an der Spitze im Bundesländervergleich, was die Bildung angeht. Seitdem gab es einen dramatischen Absturz. Die Hauptgründe dafür sind für mich die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung und die Schwächung des vielfältigen Bildungssystems“. Zu der von Schülern geäußerten Kritik an der Vergabe von Noten, vor allem in Fächern wie Sport, erklärte der FDP-Politiker, dass er Noten als Rückmeldung, als Motivation und auch als Belohnung für Schülerinnen und Schüler erhalten wolle: „Ich finde, wenn jemand eine gute Leistung erbringt, ist es doch auch schön, sich über eine gute Note freuen zu können“, so der Abgeordnete.

So wurde die Rückkehr des einstigen Lehrers Dr. Timm Kern an das Friedrich-List-Gymnasium zu einem intensiven Austausch über viele Fragen – oder wie der Abgeordnete als Fazit zog: „Der «List-Geist », der hier herrscht, hat schon immer auch eine starke Diskussionsfreude beinhaltet. Ich wünsche der Schule und den Schülerinnen und Schülern von Herzen, dass sie diese auch weiter behalten.“