Jutta Pagel-Steidl: Teilhabe & Inklusion von Menschen mit Behinderung | Kern-Gespräch #25
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So gelingen Inklusion und Teilhabe
FDP-Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern sprach in seinem Format „Kern-Gespräch“ mit der Geschäftsführerin des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung, Jutta Pagel-Steidl
Nicht am Rande stehen, sondern teilhaben: Das ist der Wunsch vieler Menschen mit Behinderung in Deutschland und Baden-Württemberg. Doch wie steht es um Felder wie Teilhabe und Inklusion? Das war zentrales Thema der neuesten Ausgabe des Formats „Kern-Gespräch“, in dem der Landtagsabgeordnete Dr. Timm Kern (FDP) mit verschiedensten Menschen über ihr Engagement spricht. Dieses Mal war die Geschäftsführerin des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung BW e.V. (LVKM-BW), Jutta Pagel-Steidl, seine Gesprächspartnerin.
Seit 1966 setzt sich der Verband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung für die Belange behinderter Menschen ein. Dabei sei die Spannweite an Themen sehr groß: „Ich sage immer: Von der Pränataldiagnostik bis zur Sterbehilfe – alles, was dazwischen ist“, beschrieb Jutta Pagel-Steidl dem FDP-Abgeordneten den Aufgabenbereich des Verbands.
Eines der drängendsten Themen, so die Vorsitzende des LVKM-BW, sei nach wie vor die Barrierefreiheit. Dort sieht Jutta Pagel-Steidl auch den größten Nachholbedarf in Baden-Württemberg: „Es wird immer noch als „Nice-To-Have“ wahrgenommen. Dabei ist eine umfassende Barrierefreiheit erforderlich für Teilhabe“. Dr. Timm Kern erzählte von einer gemeinsamen Begegnung mit Jutta Pagel-Steidl in Freudenstadt, in der es um die dortige Barrierefreiheit ging: „Da war mir sehr eindrücklich, dass es manchmal ganz praktische, aber auch kleine Dinge sind, die man verbessern kann“.
Auch der Bereich Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Behinderung wichtig. Dr. Timm Kern verwies auf aktuelle Zahlen, wonach Menschen mit Behinderung von der gegenwärtigen Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft und den damit einhergehenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt besonders betroffen seien. So sei die Quote der Erwerbslosen mit Behinderung in Baden-Württemberg in einem Jahr um sieben Prozent gestiegen. Jutta Pagel-Steidl ging hierbei auf häufig aufkommende Sorgen von Arbeitgebern ein: „Es zeigt die Erfahrung, dass Menschen mit Behinderung sehr wohl leistungsfähig sind und auch arbeiten wollen“, erklärte sie. Allerdings müssten auch auf dem Arbeitsmarkt die Voraussetzungen der Barrierefreiheit mehr Berücksichtigung finden.
Als bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion interessierte sich Dr. Timm Kern auch für das Thema Inklusion im Bildungsbereich. Er sprach dabei die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) an. In einigen Bundesländern wurden diese abgeschafft, da die Inklusion von Menschen mit Behinderung in Regelschulen vorangetrieben werden sollte. Jutta Pagel-Steidl hält das für einen Fehler: „Es gibt ganz viele Menschen mit Behinderung, die sagen: Nur am SBBZ kann ich meinen Bildungsgang machen“. Sie plädierte für ein Miteinander von Regelschulen und SBBZ. „SBBZ haben als Angebot ihren Platz in einer inklusiven Bildungslandschaft.“
Dr. Timm Kern unterstützte diese Position: „Wenn ich SBBZs besuche, kriege ich auch Rückmeldungen von Kindern, die sagen, sie schätzen es sehr, dass sie eben diesen geschützten Raum haben“. Wichtig sei hierbei auch, den Lehrkräftemangel in der Sonderpädagogik in Baden-Württemberg zu bekämpfen, zum Beispiel durch die Abschaffung des Numerus Clausus an den Pädagogischen Hochschulen, waren sich die Gesprächspartner einig.
Zum Ende des Gespräches nahm Jutta Pagel-Steidl auch die Gesellschaft nochmals in die Pflicht. Ihr oberster Wunsch sei mehr Respekt für Menschen mit Behinderung: „Respekt kostet kein Geld, sondern nur die Bereitschaft, sich darauf einzulassen“.
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Web: https://www.lv-koerperbehinderte-bw.de/