Ulrich Derad: Mehr als Gewinnen und Verlieren - Sport in Baden-Württemberg | Kern-Gespräch #23
„Wenn man zusammen Sport treibt, ist jeder gleich“
Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern (FDP) und Ulrich Derad, Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Baden-Württemberg, im Gespräch
Nicht zuletzt die Fußball-Europameisterschaft der Herren hat den Fokus der Öffentlichkeit wieder verstärkt auf das Thema Sport gelenkt. Doch der Sport in Deutschland und Baden-Württemberg ist natürlich deutlich mehr als das: Welche Rolle der Sport in unserer Gesellschaft hat, wie er Integration und Leistungsbereitschaft fördern kann und was der Sport von der Politik braucht – das waren die Themen im Gespräch des Landtagsabgeordneten Dr. Timm Kern (FDP) mit dem Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW), Ulrich Derad. Der Abgeordnete hatte ihn im Rahmen seines Formats „Kern-Gespräch“ in den Landtag eingeladen.
Der ehemalige Handballer, der 1991 mit dem VfL Gummersbach Deutscher Handballmeister wurde, betonte dabei die integrative Wirkung des Sports: „Wenn man zusammen Sport treibt, ist jeder gleich – egal, welche Hautfarbe, welches Geschlecht, welches Einkommen.“ So sei ein gegenseitiges Kennenlernen möglich.
Zudem sei im Sport von diesen äußeren Merkmalen unabhängig die Leistung wichtig – wobei auch der Begriff der „Leistung“ ja nicht unumstritten sei, warf Dr. Timm Kern ein, und nannte die Reform der Bundesjugendspiele als Beispiel: „Ich habe keinerlei Probleme mit dem Leistungsbegriff – ich glaube auch, ohne Leistung funktioniert Schule nicht, funktioniert Gesellschaft nicht“, betonte der Abgeordnete. Ulrich Derad teilte als Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes diesen Eindruck. Wichtig sei dabei aber, den Leistungsbegriff richtig einzuordnen: „Leistung bedeutet: Ich bin willig, etwas zu tun, mit all dem, was dazugehört. Da gehört mit Sicherheit auch nicht nur dazu, sportlich besser zu sein, sondern es gehört Zielstrebigkeit dazu, es gehört Verlässlichkeit dazu, es gehört Disziplin dazu. Das sind alles Dinge, die für das Leben wichtig sind.“ Am Ende gehe es also nicht darum, unbedingt zu gewinnen, sondern bereit zu sein, an die jeweils ganz eigene Leistungsgrenze zu gehen.
Auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen, der ab dem Schuljahr 2025/26 greifen wird, war Thema. Der FDP-Abgeordnete wollte dabei von seinem Gast wissen, ob der Ganztag eher Chance oder eher Risiko für den Sport sei. Beides sei richtig, erklärte Ulrich Derad. Einerseits sei es eine Chance, Kinder mit Sport in Kontakt zu bekommen, andererseits bestehe die Gefahr, dass darunter das Engagement junger Menschen in Vereinen leide. Deshalb war für Ulrich Derad wichtig, dass der Ganztag freiwillig sein müsse. Dr. Timm Kern unterstützte ihn dabei: „Das beste Argument für einen Ganztag ist, wenn die Qualität stimmt – und nicht die verpflichtende Ganztagsschule.“
Insgesamt lobte Ulrich Derad die Zusammenarbeit zwischen dem Sport und der Politik in Baden-Württemberg. Der überparteilich getragene Solidarpakt Sport sei für Baden-Württemberg dabei ein Glücksfall: „Wir sind mit dem Solidarpakt – ohne Gesetz – wirklich gut aufgestellt. Das ist unser Weg, und ich glaube, das ist ein guter Weg, weil man auch ständig Anpassungen vornehmen kann“, so Ulrich Derad. Dennoch gebe es natürlich auch Bedarfe: Auf Nachfrage von Dr. Timm Kern nannte der Hauptgeschäftsführer des LSVBW dabei die Folgen des Hochwassers für Sportvereine, die Gewinnung und Qualifizierung von Übungsleitern und die institutionelle Förderung.
Am Ende war das einhellige Fazit des Gesprächs: Der Sport nimmt so vielfältige und unverzichtbare Aufgaben in der Gesellschaft wahr, dass seine Unterstützung und Förderung durch die Politik absolut notwendig ist – auch über das Großereignis der EM hinaus.
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