Was die Gymnasien brauchen
- Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern (FDP) im Gespräch mit dem neuen Schulleiter des Kepler-Gymnasiums Freudenstadt, Hermann Kaupp
- Themenspektrum reicht von Digitalisierung bis zu psychischer Gesundheit von Jugendlichen
Was treibt die Gymnasien im Landkreis Freudenstadt um? Diese Frage stand im Mittelpunkt beim Treffen des Landtagsabgeordneten Dr. Timm Kern (FDP) mit Schulleiter Hermann Kaupp im Kepler-Gymnasium in Freudenstadt. Die Palette an Themen war durchaus breit: Ob es die Folgen der Pandemie, die Digitalisierung oder die Frage nach G8 oder G9 ist – die Herausforderungen der täglichen Schularbeit wurden in vielen Feldern deutlich.
Zu Beginn des Austausches betonte der Landtagsabgeordnete, der vor seiner Zeit im Parlament selbst Lehrer an einem allgemeinbildenden Gymnasium war, er wünsche sich mehr Praxisbezug in der aktuellen Bildungspolitik des Landes. So sei zu beobachten, dass seit über zehn Jahren immer mehr „Hürden“ aus den Schulen herausgenommen würden. Beispiele seien die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, die grundsätzliche Abschaffung des Sitzenbleibens an den 5. Klassen der Realschulen oder jüngst das Modellprojekt „Grundschule ohne Noten“. Immer mehr Hürden aus der Schullaufbahn herauszunehmen sei nichts, was den Schülerinnen und Schülern wirklich nutzen würde. Denn außerhalb der Schulen würden auf die jungen Menschen schließlich auch Hürden und Herausforderungen warten. Dem stimmte Schulleiter Hermann Kaupp aus seiner Praxis zu: „Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich vergleicht und auch vergleichen möchte“, berichtete er.
Hermann Kaupp spiegelte dem Abgeordneten, welche Herausforderungen die Lehrkräfte in seiner Schule als Prioritäten sehen würden: Ein gewichtiges Thema sei, gerade jetzt nach der Pandemie, die psychische Gesundheit der Jugendlichen. „Es steht immer weniger der klassische Unterricht im Mittelpunkt und immer mehr die Beschäftigung mit Einzelfällen“, berichtete der Schulleiter. Zwar gebe es gut ausgebildete Schulpsychologen, antwortete Dr. Timm Kern. „Diese sind aber viel zu oft in den Schulverwaltungen gebunden, statt in den Schulen direkt eingesetzt zu werden“, kritisierte der Abgeordnete deren Personaleinsatz durch die grün-schwarze Landesregierung. Lehrerinnen und Lehrer könnten aber kein Ersatz für professionelle Psychologen an Schulen sein, waren sich beide Gesprächspartner einig.
Ein weiteres großes Thema für Lehrerinnen und Lehrer sei die Digitalisierung. Es herrsche eine gewisse Unsicherheit, welche digitalen Werkzeuge genutzt werden dürften und welche aus Datenschutzgründen Tabu seien. Dr. Timm Kern fordert seit Jahren von der Landesregierung, eine so genannte „Whitelist“ an datenschutzkonformen Tools bereitzustellen, um den Schulen hier mehr Sicherheit zu geben. Auch bei der Beschaffung von Hardware würde sich Hermann Kaupp mehr Unterstützung wünschen, so sei zum Beispiel noch kein Geld aus dem Digitalpakt Schule im Kepler-Gymnasium angekommen – der Antrag über den Medienentwicklungsplan sei alles andere als unbürokratisch, er hätte sich in Freudenstadt über 2 Jahre hingezogen. Außerdem sei der Haushalt der Schule nicht für die Beschaffung von Geräten für digitalen Unterricht ausgestattet, bemängelte er – wie es mit den Folgekosten, Instandhaltung, Ersatzbeschaffungen und so weiter aussähe, sei noch nicht geregelt.
Das Kepler-Gymnasium Freudenstadt ist eine offene Ganztagesschule, an der sowohl das Abitur nach acht Jahren (G8) als auch nach neun Jahren (G9) angeboten wird. Für Dr. Timm Kern ein vorbildliches Konzept: „Jeder, der ein Ganztagesangebot braucht, sollte auch eines bekommen. Aber es darf keinen Ganztagszwang geben für diejenigen, die nicht in die Ganztagsschule gehen wollen“, fasste er seine Position zusammen. Auch bei der Frage nach G8/G9 setzt der FDP-Politiker auf größtmögliche Wahlfreiheit: „Es sollte an möglichst allen Gymnasien im Land die Möglichkeit geben, zwischen den beiden Zügen zu wählen. Aktuell gibt es diese Wahlmöglichkeit in unserem Land leider nur an einem einzigen Gymnasium pro Landkreis. Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel.“, erklärte er hierzu.
Herr Kaupp ergänzte, dass eine wirklich verlässliche Wahlmöglichkeit auch an diesen Modellschulen nicht existiert. So haben dieses Jahr am Kepler-Gymnasium z.B. 17 Familien das G8 gewählt, aber 103 das G9.
Rechnerisch macht das 120 Schüler, wodurch nur 4 Klassen à 30 Schüler genehmigt wurden. Dies hatte zur Folge, dass 13 Schüler, die unbedingt nach G9 wollten, nun doch in G8 gelandet sind.