Wo Schule gestaltet wird
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Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern (FDP) im Austausch mit der Leiterin des Staatlichen Schulamts Rastatt, Ulrike Schira
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Die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, der Lehrkräftemangel und die frühkindliche Bildung waren Thema
Gut 46 Kilometer Luftlinie trennen Freudenstadt von Rastatt. Trotz dieser Entfernung gibt es zwischen beiden Städten einen Zusammenhang: Das für die Schulen im Landkreis Freudenstadt zuständige Schulamt hat in Rastatt seinen Sitz.
Seit einigen Monaten heißt die Leiterin des Schulamts Rastatt Ulrike Schira. Sie ist verantwortlich für 132 Schulen in ihrem Schulamtsbezirk und unter anderem für die Qualitäts- und Schulentwicklung zuständig. Das Einzugsgebiet des Schulamtes umfasst dabei neben dem Landkreis Freudenstadt auch den Landkreis Rastatt sowie den Stadtkreis Baden-Baden.
Bei einem Treffen mit dem Landtagsabgeordneten Dr. Timm Kern (FDP), der auch bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag ist, kamen so natürlich zahlreiche bildungspolitisch relevante Themen zur Sprache. Ulrike Schira analysierte dabei zunächst, dass die sozial-emotionale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in der Arbeit an Schulen eine immer größere Rolle einnehme: „Schule ist Teil der Gesellschaft und kann sich nicht von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen abkoppeln“, berichtete sie. Corona habe die Probleme vieler Kinder und Jugendlicher in diesem Bereich noch verschärft. Dr. Timm Kern stimmte dieser Beobachtung zu. Beide Gesprächspartner waren sich einig, dass ein Ausbau der Schulsozialarbeit, eine Stärkung der Schulpsychologie und eine Verstetigung von multiprofessionellen Teams an Schulen zielführend wäre.
Eine zweite große Herausforderung sei der Lehrkräftemangel in den ländlichen Regionen, berichtete Ulrike Schira dem Landtagsabgeordneten. Dr. Timm Kern zeigte in diesem Zusammenhang ein weiteres Problem auf: „Wir haben bei den Schulleitungen viel zu viele nicht besetzte Stellen. Das zeigt, dass es aktuell einfach nicht attraktiv genug ist, eine Schulleitungsstelle zu übernehmen“. Ulrike Schira verwies in diesem Punkt auch auf die Struktur der Lehrerkollegien in ihrem Amtsbezirk: Es gäbe immer weniger männliche Lehrkräfte und ein Großteil der Lehrerinnen arbeite aus familiären Gründen in Teilzeit. Wenige dieser Lehrerinnen strebten eine Funktionsstelle an. Sie warnte davor, den Lehrer- und Schulleiterberuf schlecht zu reden: „Es ist ein wunderbarer Beruf – wir sollten nicht nur darüber sprechen, wie schwierig alles ist, sondern auch, wie erfüllend dieser Beruf sein kann“. Dr. Timm Kern, der selbst ausgebildeter Gymnasiallehrer ist, bestätigte das aus seiner eigenen Erfahrung. Jedoch sei die Situation an den Schulen seit 2011 immer schwerer geworden, was auch die einschlägigen Evaluationen und Erhebungen zeigten.
Darüber hinaus kamen grundsätzliche Vorstellungen eines funktionierenden Bildungssystems zur Sprache. Dr. Timm Kern zeigte sich für neue Ideen offen, betonte aber die Wichtigkeit der Binnendifferenzierung: „Es braucht die Differenzierung nach Niveaustufen, um der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler Rechnung zu tragen. Es braucht aus meiner Sicht nicht die eine-Schule-für-alle, sondern die passende Schule für jedes Kind“, erklärte er seine Position. Ulrike Schira plädierte dafür, nicht Schularten gegeneinander auszuspielen, sondern integrative Lösungen zu finden.
Doch es wurde auch klar, dass Bildung nicht erst mit der Schule beginnt: Ein besonderer Fokus müsse auf die frühkindliche Bildung gelegt werden, betonte Ulrike Schira. Hier wünsche sie sich mehr Ressourcen und strukturelle Lösungen im vorschulischen Bereich. Der FDP-Abgeordnete Dr. Timm Kern berichtete von Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern, die aus familiären Gründen nur Teilzeit arbeiten können. „Viele sagen, sie würden sofort aufstocken, wenn sie ein Betreuungsplatz für ihr Kind hätten. So hängt der Mangel an Plätzen in Kindertagesstätten und der Lehrkräftemangel teils unmittelbar zusammen.“
Doch trotz aller bildungspolitischen Herausforderungen in Baden-Württemberg zog Ulrike Schira am Ende des Gesprächs ein positives Fazit: „Ich bin sehr glücklich hier – wir haben sehr engagierte Schulleiterinnen und Schulleiter in unserem Amtsbezirk.“ Ein Fazit, das Hoffnung macht.